Der II. Weltkrieg

 

All diese Ereignisse verfehlten ihre Wirkung auch in der Wessumer Bevölkerung nicht. Zwar blieb der Stimmenanteil der Zentrumspartei, sie erreichte bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 noch 84,9 Prozent und bei der Wahl vom 6. November 1932 81,8 Prozent der Stimmen im Wessumer Amt, und auch der SPD (Wahl September 1930 1,8 Prozent, November 1932 1,7 Prozent), in Wessum relativ stabil, jedoch konnte die NSDAP hier einen erheblichen Zuwachs verbuchen. Lag ihr Stimmenanteil 1930 noch bei 48 Stimmen und 1,8 Prozent, so schoss ihr Ergebnis am 6. November 1932 auf 308 Stimmen und damit auf 10,9 Prozent in die Höhe. War zwar der Grossteil der Bevölkerung im Wessumer Amt immer noch eher der katholischen Zentrumspartei zugeneigt, zeigt dies dennoch eine deutliche Entwicklung, die ihre Ursachen sicherlich in den Geschehnissen im Reich hatte.

 

Am Abend des 27. Februar 1933 stand mit einem Male der Reichstag in Flammen. Die Nationalsozialisten beschuldigten sofort die Kommunisten, den Brand als erstes Fanal zu einem Aufstand genutzt zu haben. Schon am nächsten Tag ließ sich Hitler vom Reichspräsidenten die Unterschrift zu der „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat“ geben, ein „Blanko-Scheck“ zur Liquidierung der politischen Grundrechte der Weimarer Republik. Dem folgte das „Ermächtigungsgesetz“ vom 23. März 1933, welches den seit Jahren missachteten Reichstag und die von der Verfassung vorgesehenen Kontrollorgane der Regierung endgültig ausschaltete. Frei und nicht länger an den Reichstag, die präsidiale Notverordnung oder den Koalitionspartner im Kabinett gebunden, konnte Hitler nun darangehen, die alten staatstragenden Kräfte zu zerstören. Die nächste Stufe der Machtergreifung, die „Gleichschaltung“ war schnell abgeschlossen. Es folgte die Ausbreitung der Diktatur im „Innern“, die gesellschaftliche Durchdringung, sowie die Einführung der Wehrpflicht, die Besetzung des Rheinlands, der Aufbau einer starken Wehrmacht, die Einverleibung Österreichs in das „Reich“, die Besetzung des Sudetenlandes und schließlich der Rest-Tschechoslowakei. Hitler steuerte unbeirrbar auf ein Ziel: Krieg!!

 

Das erste Wessumer Opfer Hitlers Kreigstreiberei war Heinrich Grotholt, der am 6. Juli 1937 bei einem Manöver in Bergen im Kreis Celle verunglückte.

 

Als Frankreich und England begriffen hatten, dass jedes Abkommen mit Hitler unmöglich geworden war, gewährten sie Polen und Rumänien eine formelle Garantie für den Fall eines Angriffs.

 

Der Einmarsch in Polen begann am 1. September 1939. Zwei Tage darauf erklärten Frankreich und England dem III. Reich den Krieg. Der 2. Weltkrieg hatte begonnen.

 

Am Morgen des 10. Mai 1940 begann schließlich die deutsche Offensive im Westen. Wessum hatte zuvor, wie viele andere Orte im Grenzgebiet, Einquartierungen hinzunehmen. 140 Divisionen der Wehrmacht überrannten die französischen Armeen, ein britisches Expeditionskorps, sowie die aus belgischen und holländischen Armeen bestehenden 144 Divisionen der alliierten Armee.

 

Am 15. Mai streckte die holländische Armee die Waffen, die belgische Armee kapitulierte bedingungslos. Am 6. Juni wurde die südliche Gruppe an der Somme und an der Aisne geschlagen. Vier Tage später, am 10. Juni, verließ die französische Regierung Paris, und Mussolini erklärte Frankreich und Großbritannien den Krieg. Am 12. Juni erhielten die französischen Armeen den allgemeinen Rückzugsbefehl. Der Gesamtkampf war damit beendet. Um die verbündeten Italiener zu unterstützen und um zu verhindern, dass die Engländer Griechenland als Stützpunkt für einen Angriff in Europa nutzten, besetzte die Wehrmacht am 2. März 1941 zunächst Bulgarien, danach Jugoslavien und Griechenland. Ende Mai war der Feldzug nach der Besetzung von Kreta beendigt.

 

Einen Monat später, am 22. Juni, stürzte sich die Wehrmacht auf Russland. Dieser Feldzug kam jedoch wegen des Winters am 6. Dezember zum Stillstand. Trotz zahlreicher deutscher Erfolge hatte die Rote Armee widerstanden und die Sowjetregierung den Staat in der Hand behalten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sieben Wessumer gefallen.

 

Am frühen Morgen des 7. Dezember 1941, einen Tag, nachdem der deutsche Vormarsch in Russland zum Stillstand gekommen war, griffen die Japaner die amerikanische Flotte in Pearl Harbour an. Deutschland und Italien erklärten den USA den Krieg.

 

Im Osten setzte am 8. Mai 1942 der deutsche Angriff wieder ein. Die Schlacht von Stalingrad hatte Anfang September begonnen und endete am 3. Februar 1943 mit der Kapitulation der 6. deutschen Armee des Marschalls Paulus.

 

Im Frühjahr 1943 mussten sich die Deutschen wieder hinter ihre Ausgangsbasis vom Frühjahr 1942 zurückziehen. Von nun an lag das Gesetz des Handelns auf Seiten der erstarkten Sowjetischen Armee. Es begann der langsame, unaufhaltsame deutsche Rückzug über tausende Kilometer nach Westen. Nordafrika ging durch Kapitulation der deutsch-italienischen Heeresgruppe verloren. Italien wechselte nach einem Umsturz in das Feindeslager über und wurde von den Deutschen jetzt als „besetztes Land“ verteidigt. Die amerikanisch-britischen Landungen zuerst in Afrika, dann in Sizilien und auf dem italienischen Festland und schließlich in der Normandie im Juni 1944 brachten die Truppen immer mehr in Bedrängnis.

 

Auch im Reich sah es nicht besser aus. Da die zum Militärdienst eingezogenen Arbeitskräfte in der Heimat fehlten, wurden im Laufe des Krieges Millionen ausländische Zivilpersonen nach Deutschland verschleppt, um in der Rüstungsindustrie und der Landwirtschaft eingesetzt zu werden. Dies galt natürlich ebenfalls für Wessum. So weist ein Schreiben der Kommandantur M.-Stammlager VI C, Bathorn, an den Landrat des Kreises Ahaus vom 10.11.1941 ein Kriegsgefangenenarbeitskommando für Franzosen mit einer Belegungsstärke von 21 Personen für Wessum aus. Der Kindergarten Wessum war von 1940 bis zum Herbst 1944 mit 25 kriegsgefangenen Franzosen belegt. Vom Herbst ´44 bis zum Februar ´45 dann mit 30-40 Ukrainern, die als Schanzarbeiter tätig waren. Im Dezember ´44 kamen noch 70 Holländer hinzu. Weitere „Zivilarbeiterlager“ befanden sich im Saale Terhaar, der vom Herbst ´44 bis Februar ´45 mit ca. 400 Holländer belegt war, sowie in der Schule in welcher 62 Holländer untergebracht waren. (2)

 

Nach der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 begann man mit dem Bau des „Westfalenwalls“, der sich auch durch das Wessumer Esch zog. Auch hierfür wurden die zahlreichen in Wessum festgehaltenen Zwangsarbeiter benötigt.

 

Bis zum Herbst 1944 gelangten die Westalliierten bis an die Reichsgrenzen, die Sowjets ihrereits nach Ostpreußen. Die Endphase wurde durch die Sowjetoffensive vom 12. Januar 1945 eingeleitet. Die große Flucht setzte ein, die zu entsetzlichem Leiden führte. Viele tausende Menschen starben auf diesem Treck in den Westen. Nicht wenige aber kamen durch und einige wenige gelangten schließlich auch ins Westmünsterland und auch nach Wessum.

 

Mitte März 1945 überschritten englische und amerikanische Truppen den Rhein zwischen Wesel und Xanten, so dass für das westliche Münsterland ernste Gefahr drohte. Der Widerstand der deutschen Truppen war verhältnismäßig gering, da das Heer schon stark dezimiert und vor allem demoralisiert war. Die englische und amerikanische Luftwaffe bombardierte schon seit Jahren deutsche Städte. Ab Anfang März wuchs diese Gefahr für die Rheinstädte und das flache Land. Im März wurden die Nachbarstädte Wessums, Ahaus, Stadtlohn und Vreden wiederholt bombardiert. Am 22.03.1945 wurde schließlich das Nachbardorf Alstätte bombardiert. Daraufhin verließen viele Wessumer den Ort um in den Bauernschaften bei Bekannten unterzukommen. Der folgende Tag brachte denn auch für Wessum einen Bombenangriff bei dem der Südteil des Dorfes stark gelitten hatte. Auch die Kirche blieb nicht verschont. Durch Dach und Gewölbe war eine Bombe geschlagen.

 

Das Gewölbe über dem Mittelschiff der Kirche war größtenteils eingestürzt, die Orgelbühne teilweise zerschlagen, alle bunten Fenster waren zersprungen und herausgerissen. Der Altar war unversehrt. Der Schutt lag zu einem hohen Berg in der Kirche, der Eingang an der Nordseite war dadurch fast gesperrt. „(3)

 

In den folgenden Tagen, am 31.03.1945, verlegte eine Fallschirmjägereinheit nach Wessum, die den Ort verteidigen sollte.

 

„Karsamstagnachmittag wurden plötzlich die Westwallstellungen (Westfalenwall) im Graeser Esch und auf Wensker Kamp unmittelbar am Hause von deutschen Fallschirmjägern besetzt.“ (3)

 

An vier Stellen im Ort (Jacobistraße – Richtung Ottenstein, Schulstraße, Leinenstraße, Wesheimstraße) wurden Panzersperren aufgebaut. Sie waren 2 – 2,50 m Hoch und bestanden teilweise aus Beton und teilweise aus mit Sägemehl aufgefüllten Täuschungen. Bereits am selben Abend stießen alliierte Panzer bis zum Ortsrand vor, zogen sich aber nach Beschuss durch Artilleriefeuer der deutschen aus Graes Richtung Wessum wieder zurück

 

„Am 30. März abends hörte man Soldaten marschieren und Pferdegetrampel. Man wusste nicht, ziehen die Deutschen weg, oder ist der Feind schon da.? ... Man hörte immer wieder Artillerie schießen. Am Tage sahen wir dann überall auch große Brandherde – es qualmte überall. .. Söbbings Haus brannte, Vissing brannte und Schulze Buschoff brannte auch schon. Es dauerte nicht lange, da brannte auch unser Haus!“ (4)

 

Am folgenden Morgen zogen die letzten deutschen Truppen in Richtung Epe ab. Auf den Höfen wurden weiße Tücher gehisst. Panzer drangen unter Feuerstößen, unterstützt durch Artillerie in das Dorf ein. Bürgermeister Franz Böcker ging den Panzern beim Kalkwerk (Ottensteiner Straße) mit weißer Flagge entgegen. Für Wessum endete der Krieg an diesem Ostermorgen im Jahre 1945.

 

An vielen Fronten dieses Krieges kämpften und starben auch Wessumer Bürger. Ihre Gräber sind in ganz Europa zu finden.

130 Wessumer wurden Opfer dieses Krieges. Ihnen wird, zusammen mit weiteren 21 gefallenen und vermissten Soldaten von Angehörigen, die nach dem Kriege nach Wessum gekommen sind, im Oratorium, dem Wahrzeichen unseres Dorfes, ein ehrendes Andenken erhalten.

 

(1)               Manfred Uhling, Wessum, Jahrbuch des Kreises Borken 2003

(2)               Zwangsarbeit im Westmünsterland aus der Schriftenreihe des Kreises Borken

(3)               Franz Elfering in seinem Bericht über die letzten Kriegstage in Wessum

(4)               Sophia Beßler in einem Bericht an ihre Enkelin Marion